Die Parkinsonsche Erkrankung beschränkt sich nicht auf das höhere Lebensalter. Was nur wenige wissen: 10% aller Parkinsonpatienten erkranken um das 40. Lebensjahr. Für diese Gruppe Betroffener ergeben sich, neben der Erkrankung selbst, oft andere soziale, familiäre und finanzielle Probleme, als dies bei jemandem, der erst mit 70 Jahren an Parkinson erkrankt, der Fall ist.
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Was den Früherkrankten vom “typischen Altersparkinson-Patienten” unterscheidet, ist zunächst einmal die noch vor ihm liegende Krankheitsdauer, die durchaus 30 Jahre oder länger betragen kann. Es bedarf daher einer etwas anderen medikamentösen Therapiestrategie. Hier hat Zeitgewinn oberste Priorität, auch unter Inkaufnahme einer vielleicht nicht ganz optimal eingestellten Beweglichkeit. Es gilt das Eintreten von Nebenwirkungen, wie z.B. den gefürchteten “Spätdyskinesien”, hinauszuschieben. Daher wird empfohlen Früherkrankte, soweit möglich, anfangs nur mit Dopaminagonisten einzustellen und auf eine Dopamingabe zunächst zu verzichten.
Eine Einschränkung der Beweglichkeit, die sich im Verlauf der Erkrankung einstellt, trifft jung und alt gleichermaßen.
Das Argument, einen Früherkrankten träfe es härter, weil die Anforderungen , die sein Umfeld, wie auch er selbst an die eigenen motorischen Fähigkeiten stellt, ungleich höher sind, als bei einem 75- oder 80-jährigen, der aufgrund anderer Gebrechen bereits an einen eingeschränkten Aktionsradius gewöhnt ist, erscheint wenig fruchtbar. Der Umgang mit der Erkrankung, die Krankheitsverarbeitung, ist vielmehr ein individuelles Problem denn altersabhängig. Von wertenden Vergleichen sollte Abstand genommen werden. Die Lebensumstände, in denen sich beide Altersgruppen befinden, sind es, die den Unterschied ausmachen.
Hat der über 70-jährige Rentner, nach altersbedingtem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, seine finanzielle Existenz absichern können, so sind die Rentenansprüche des 40-jährigen Frührentners mitunter so gering, dass es ihn und seine Familie, zu der oft noch schulpflichtige Kinder zählen, in finanzielle Not bringt.
Diejenigen, die (noch) im Erwerbsleben stehen, berichten nicht selten über Mobbing durch Kollegen oder auch Vorgesetzte. Häufig schützt davor auch kein Schwerbehinderten-Ausweis, denn auf Dauer gelingt es kaum dem Druck standzuhalten. Von Selbstzweifeln und Minderwertigkeitsgefühlen geplagt, mit Schuldgefühlen den Kollegen gegenüber, die angeblich (oder auch tatsächlich) durch ihre Mehrleistung das Defizit des Kranken kompensieren müssen, räumen nicht wenige irgendwann “freiwillig” ihren Arbeitsplatz.
Statistisch gesehen gibt es unter den Früherkrankten eine horrend hohe Scheidungsrate. Welche Beziehung ist tragfähig genug um diese Belastung über Jahre hinweg auszuhalten? Wie schwierig mag es sein für den gesunden Partner, das Leid des anderen zu sehen, es aber nicht abwenden zu können, aushalten zu müssen, dass es dem geliebten Menschen zunehmend schlechter geht. Dieses ist eine enorme Belastung, die so manchen schlichtweg überfordert.
Derjenige der “erst” im höheren Lebensalter erkrankt ist, hatte idealerweise viel mehr Zeit, um eine stabile Beziehung aufzubauen. Im Laufe einer 40-jährigen Ehe wurden bereits viele Klippen (hoffentlich erfolgreich) umschifft. Auf ein solches Fundament der Ehe kann ein Paar, das sich vielleicht erst seit 10 Jahren oder weniger kennt, nicht blicken. Dies und auch die Erwartungen an das Leben, die der gesunde Partner hat, der sich nicht die nächsten 40 Jahre tagtäglich mit Einschränkungen und Behinderungen auseinandersetzen möchte, lassen viele Beziehungen zerbrechen.
Das Auftreten in der Öffentlichkeit ist oft ein heikles Thema, schämen wir uns doch häufig unseres “Parkinsonaussehens”, des schlurfenden und stolpernden Ganges, der zitternden Hände. Wer kennt nicht Situationen wie diese: ich stehe am Schalter einer Bank und kann vor lauter Zittern meiner Hand das Formular nicht unterschreiben. Je länger es dauert, desto mehr fühle ich wie sich die Blicke der anderen Wartenden in meinen Rücken bohren und schlimmer noch, der etwas verwirrte Blick des Bankangestellten, der mir gegenübersitzt und nicht versteht, ja nicht verstehen kann, was eigentlich mit mir los ist. Ich trete die Flucht nach vorn an und sage so souverän wie es mir — an meinen guten Tagen — nur irgend womöglich ist: “ Ich bin nicht betrunken, meine Hände zittern, weil ich Parkinson habe“. Geht es mir nicht so gut, damit ist nicht nur die rein körperliche Verfassung gemeint, dann bleibe ich lieber zu Hause.
Dann kann ich weder das mitunter abwertende Unverständnis, das mir die Umwelt entgegenbringt noch die mitleidigen Blicke ertragen oder das “….ach wie schlimm, so ein schreckliches Schicksal müssen sie erleiden und noch so jung…”. Die Dame, der ich während eines Kongresses auf der Damentoilette begegnete, blickte mich an als ob mir das letzte Stündlein bereits geschlagen hätte.
Auch vermeintliche Hilfsangebote, die darin gipfeln, mir Dinge aus der Hand zu nehmen mit dem Kommentar „…lass mal mich das machen, das geht viel schneller…“, sind nur schwer zu ertragen. Die Hilflosigkeit mit der die Umwelt auf mich als Parkinsonerkrankte reagiert, ist einerseits nachvollziehbar, insofern als doch der Mehrheit diese Erkrankung bei jüngeren Menschen nicht bekannt ist, wie auch schwer auszuhalten. Ich persönlich habe gelernt je besser ich selbst mit meiner Erkrankung fertig werde und zurecht komme, desto leichter ist es auch für meine Umwelt mit mir umzugehen.
Die gesellschaftliche Akzeptanz Behinderter hierzulande ist verbesserungsbedürftig, Aufklärung tut Not. Wollen wir nicht weiterhin vor Diffamierungen wie: “….schau dir mal die an, die ist ja betrunken oder der hat bestimmt Drogen genommen….“, in unser Schneckenhaus flüchten, so werden wir wohl oder übel mit schlurfendem Gang, gebeugter Haltung und zitternden Händen in der Öffentlichkeit auftreten müssen. Denn wer, wenn nicht wir selbst, wird sich für unsere Interessen einsetzen?
28.10.2008 (Dr. Anja Maier)